Corona: "Absolute Unplanbarkeit" macht Kirchenmusik zu schaffen
"Die größten Hürden lagen und liegen noch immer in der absoluten Unplanbarkeit": Diese Bilanz hat Michael Schadler, Referent für Kirchenmusik in der Diözese Graz-Seckau, im Rückblick auf ein Jahr Corona-Pandemie gezogen. Besonders für die Chorarbeit sei dies ein spezielles Problem, wo für größere Vorhaben mitunter auch längere Vorlaufzeiten erforderlich sind. "Für die Zukunft besteht meines Erachtens die Herausforderung darin, das gemeinschaftliche Singen wieder zurück ins Herz der Gesellschaft zu führen", sagte Schadler im Interview der "Kleinen Zeitung" (Ausgabe 2. März).
Das derzeitige Aussetzen des Gemeindegesangs in den Gottesdiensten nannte der Kirchenmusiker "problematisch", weil dabei die "tiefere Verbundenheit zwischen Menschen, zwischen Ausführenden wie auch Zuhörern" verloren gehe. "Der Restitution all dessen gilt unser vordringliches Anliegen." Es gelte das gemeinschaftliche Singen "wieder zurück ins Herz der Gesellschaft zu führen". Im ländlichen Bereich stelle gerade der Chor jene Gruppe der Gemeinde dar, die sich gemeinschaftlich am häufigsten trifft, wies Schadler hin. Seine Befürchtung: Die momentane Situation trage gerade auch bei Chorsängern zu einer "massiven Vereinsamung" bei.
Die Kirchenmusik spielt nach Einschätzung des Experten auch in einer großteils säkularen Gesellschaft, in der immer weniger Menschen in die Kirche gehen, eine große Rolle. Mancherorts beobachte er sogar wachsende Beliebtheit. Bedeutende geistliche Musik spreche weitere Kreise an, als es die relevante religiöse Bindung vermuten ließe, sagte Schadler. "Die verbalisierte, nicht immer nur auf Zustimmung stoßende Glaubensvermittlung ist weit enger gefasst als jene, die durch Musik kommuniziert wird. Kirchenmusik gleichsam als die universellere Sprache!"
Trotz der aktuellen Probleme bei Proben und Gottesdienstgestaltung kann der Kirchenmusikreferent der Pandemie auch etwas Positives abgewinnen: Es trete manch kreatives Potenzial zutage, das unter normalen Umständen durch fehlenden Mut verborgen bliebe. Als Beispiel erinnerte Schadler an eine gestreamte Messe aus dem Stephansdom, in der ein einzelner Marimbaphon-Spieler die Musik in der Liturgie mitgestaltete. "Diese musikalische Lösung hat mich voll überzeugt." Positiv sieht Schadler außerdem die Zunahme an Gottesdienstübertragungen, die der Kirchenmusik ganz allgemein eine höhere Akzeptanz verleihe.
Der gebürtige Grazer Michael Schadler studierte Kirchenmusik, Orgel und Chordirigieren, war von 2013 bis 2016 Stiftskapellmeister der Benediktinerabtei St. Paul (Kärnten) und ist seit 2017 Referent für Kirchenmusik in der Diözese Graz-Seckau.